Eine Perspektive aus der Betriebsberatung bea-Brandenburg
Zunehmender Fach- und Arbeitskräftemangel als auch die Erfahrung, dass betriebliche Integration kein Selbstläufer ist, bringen Betriebe dazu, aktiv an ihrer Willkommenskultur zu arbeiten. Betriebliche Willkommenskultur ist Führungsaufgabe, sie bezieht die gesamte Belegschaft mit ein und kann durch konkrete Maßnahmen gefördert werden. In einer vielfältigen Arbeitswelt ist eine gelebte Willkommenskultur eine wichtige Säule der Arbeitgeberattraktivität.
Im Kern bezieht sich der Begriff „Willkommenskultur“ auf eine Grundhaltung der Offenheit und Akzeptanz gegenüber Migrantinnen und Migranten. Willkommenskultur betont die Bedeutung der Aufnahmegesellschaft für eine gelingende Integration. Integration liegt damit nicht nur in der Verantwortung von Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung, sondern ist eine gesellschaftliche Gemeinschaftsaufgabe.
Betriebliche Willkommenskultur als gesamtbetriebliche Aufgabe
Betrieben, die sich aktiv mit ihrer Willkommenskultur beschäftigten und diese gestalten wollen, ist bewusst, dass das Gefühl, willkommen zu sein, die Grundlage für eine erfolgreiche Integration neuer Mitarbeitender ist. Für Unternehmen ist es sinnvoll, Willkommenskultur nicht ausschließlich für Mitarbeitende mit Migrations- und Fluchterfahrung zu denken, sondern für die gesamte Belegschaft. Ein praktischer Ansatz besteht darin, den Blick auf die vorhandene Vielfalt im Unternehmen zu richten. Dies verdeutlicht die Diversität (z.B. Geschlecht, Alter, Religion) und zeigt zugleich Gemeinsamkeiten (z.B. Familienstand, Elternschaft, Ausbildung) in der Belegschaft auf. Die Gestaltung einer Willkommenskultur kann als Teil eines ganzheitlichen „Diversity Managements“ verstanden werden. Vielfältige Belegschaften bringen viele Potenziale, aber auch mögliche Konflikte mit sich. Mangelnde Deutschkenntnisse erschweren beispielsweise zunächst die betriebliche Kommunikation. Mehrsprachige Mitarbeitende sind jedoch langfristig eine Bereicherung für die interne und externe Kommunikationsfähigkeit eines Unternehmens. Die Ausgestaltung einer Willkommenskultur im Betrieb beinhaltet in der Praxis u.a.
- den kontinuierlichen Dialog mit der Belegschaft („Warum machen wir das?“),
- die Gestaltung konkreter Maßnahmen (Schulungsangebote, Mentoring-Angebote oder Employer-Brandings) und
- das Vorleben der angestrebten Offenheit durch die Leitungsebene.
Willkommenskultur in der Beratungspraxis: Mehr als ein Onboarding
Im durch das Forschungsinstitut Betriebliche Bildung (f-bb) umgesetzten und durch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Energie (MWAE) des Landes Brandenburg geförderten Projekt Betriebliche Begleitagentur bea-Brandenburg werden Brandenburger Unternehmen seit 2016 bei der betrieblichen Integration von Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung unterstützt. In der Beratungspraxis zeigen sich vermehrt Anfragen, die das Thema Willkommenskultur adressieren. Durch Unternehmen häufig formulierte Anliegen sind hierbei die Mitarbeitergewinnung (Recruiting), Fach- und Arbeitskräftesicherung, der Wunsch eines gelingenden betrieblichen Eingliederungsmanagements (Onboardings), ein funktionierendes Konfliktmanagement oder ein produktives Arbeitsklima. Anlass für Betriebe, sich mit dem Thema Willkommenskultur zu beschäftigten, sind zumeist praktische Herausforderungen wie Sprach- und Kommunikationsprobleme. Für Unternehmen, die noch keine Menschen mit Migrations- und Fluchterfahrung beschäftigen, sind häufig Fragen der Einbeziehung der Belegschaft bei der Öffnung des Betriebes für neue Zielgruppen ausschlaggebend.
So hat beispielsweise ein Malerbetrieb in Brandenburg eine Betriebsversammlung auf besondere Weise genutzt: Themen waren die Altersstruktur der Belegschaft und die Schwierigkeiten, Auszubildende zu finden. Ganz konkret wurde darüber diskutiert, was eine ausbleibende „Verjüngung“ für die Arbeitsbelastung der Belegschaft in den nächsten Jahren bedeutet. Die Betriebsversammlung war der Ausgangspunkt einer erfolgreichen und durch die Belegschaft mitgetragenen Öffnung des Unternehmens und eines aktiven Rekrutierens von Beschäftigten mit Flucht- und Migrationserfahrung
Die bea-Brandenburg begleitet Betriebe bei diesen bzw. ähnlichen Herausforderungen und unterstützt bei der Umsetzung von Maßnahmen. Gerne genutzte Angebote sind u.a. Sprachmittlungen, welche Missverständnissen vorbeugen und helfen, Konfliktsituationen zu entschärfen sowie interkulturelle Trainings, die eine betriebliche Willkommenskultur stärken oder als Teil des Onboarding-Prozesses eingesetzt werden können.
Auch wenn das Ankommen neuer Beschäftigter eine zentrale Rolle einnimmt: Willkommenskultur als Haltung und Führungsaufgabe geht über Einarbeitungsaktivitäten hinaus. Sie umfasst auch vielfaltssensible Stellenausschreibungen, Öffentlichkeitsarbeit, Mentoring-Angebote für neue Kolleginnen und Kollegen sowie interkulturelle oder vielfaltsorientierte Schulungen. Auch Aktivitäten aus der sozialen Integration wie sprachliche und fachliche Qualifizierungsangebote oder die Begleitung bei ausländerrechtlichen Fragestellungen als auch lebenspraktischen Herausforderungen wie Wohnungssuche oder Kinderbetreuung können dazugehören. Solche Aktivitäten fördern unter der Einbeziehung der Gesamtbelegschaft eine offene, wertschätzende Unternehmenskultur, die sich nachhaltig im betriebsinternen zwischenmenschlichen Umgang manifestiert: Eine gelebte Willkommenskultur.