Kurt Eulzer Druck | Hennigsdorf

Wohnung finden, Dokumente übersetzen, Deutsch lernen: Drei Geflüchtete arbeiten beim Grußkarten-Hersteller Eulzer. Sie zu integrieren, erwies sich als Kraftakt. Aber es hat sich gelohnt.

Die meisten Geflüchteten, die nach Deutschland kommen, müssen sich mit einem Standard-Repertoire an die neue Sprache gewöhnen. Nicht so Sahardid. Der junge Mann aus Somalia ist an seinem Arbeitsplatz täglich von der ganzen Wucht der deutschen Sprache umgeben. Mal sind es lustige Sprüche, manchmal traurige, hin und wieder sogar poetische.

„Weniger denken, mehr leben“, steht auf einer Grußkarte, die der 22-Jährige an einer Falzmaschine in Form bringt. Daneben stapeln sich Schilder mit einem anderen Motiv, Aufschrift: „Sammle schöne Momente. Nicht Gegenstände.“

Sahardid ist als Lagerarbeiter bei der Kurt Eulzer Druck GmbH & Co KG tätig. Knapp 22 Millionen Glückwunschkarten stellt der in Hennigsdorf ansässige Verlag jedes Jahr her. Ob Geburtstag, Firmen-Jubiläum oder Rentenbescheid: Zu fast jedem Anlass hat der Verlag einen peppigen Spruch parat. Was nebenbei auch beim Deutschlernen hilft.

Von 70 Beschäftigten haben bei Eulzer drei einen Fluchthintergrund. Die jungen Männer stammen aus Afghanistan, Syrien und Somalia – und wohnen gleich um die Ecke. „Als 2015 eine Unterkunft in Hennigsdorf eingerichtet wurde, habe ich direkt Kontakt aufgenommen“, erzählt Geschäftsführer Reinhard Nowozin. „Ich habe das aus sozialen Gründen gemacht. Ein Spruch, wie er auch auf einer Grußkarte stehen könnte.

Bis der gute Vorsatz umgesetzt wurde, war es jedoch ein langer und manchmal auch steiniger Weg, erinnert sich Personalleiterin Angelika Penndorf. Für die alteingesessenen Mitarbeiter war die Situation neu und ungewohnt: Die neuen Kollegen erforderten einen hohen Einsatz und Engagement der Personalleiterin „Wer kümmert sich um unsere Belange?“, so die Fragen der Stammbelegschaft. Im Umkehrschluss ging Penndorf aktiv auf diese zu: Niemand sollte sich benachteiligt fühlen.

Sie habe selbst auch mit Vorurteilen gekämpft, räumt Penndorf ein. Als Sahardid nach einigen Wochen begann, in der Pause gen Mekka zu beten, kam ihr das zunächst unheimlich vor. Hier konnte bea-Brandenburg mit einer Sprach- und Kulturmittlung helfen. Wie sich herausstellte, wollte Sahardid die Kollegen zu Beginn nicht verschrecken und betete deshalb heimlich. Inzwischen nutzt Sahardid den firmeneigenen Ruheraum. Unterstützung fand der Betrieb auch in den von bea durchgeführten Sprachmittlungen für Vertrags- und Feedbackgespräche sowie Unterweisungen zur Arbeitssicherheit. Demnächst ist mit der bea-Brandenburg zudem eine Schulung für die Belegschaft geplant, zum einen um eine bessere Verständigung untereinander zu fördern, zum anderen um deutlich zu machen, dass alle von einer vielfältigen Belegschaft profitieren – auch hier.

„Langsam wird es“, versichert die Personalleiterin. „Die Kommunikation innerhalb der neuen Belegschaft wird lebendiger. Das sind viele ganz kleine Schritte. Die Arbeitsleistung der Migrantinnen und Migranten seien tadellos“, berichtet Penndorf. Alle drei hätten inzwischen ihren Stapler-Führerschein gemacht, Sahardid sogar einen Pkw-Führerschein.

Während Letzterer eine Grußkarte einschweißt, huscht ihm ein Lächeln über die Lippen. „Nächste Woche wird alles gut“, sagt der 22-Jährige. „Dann bekomme ich endlich meine eigene Wohnung.“ Auch die Personalchefin hat gute Neuigkeiten: „Demnächst wird sein Vertrag entfristet. Bei uns bekommt jeder seine Chance.“

Fotos: © f-bb/ Anna Weise